Bild: Verzasca-Stausees ohne Wasser, während der Staumauersanierung im Frühjahr 2022, eigenes Bild.
Im Rahmen des Artikels zum Thema “Dreamteam Wasserkraft und Solarstrom” haben wird aufgezeigt, wie mittels Winter-Solarstrom die Stauseen entlasten werden können, um im Frühling genügend Speicherwasser für die Überbrückung längerer Solarstrom-Unterbrüche zu haben.
Von einer Leserin wurde mir dazu folgende wichtige Frage gestellt: “Wie kann dies gehen? Im Blog mit dem Titel “Grosse Trockenheit in der Schweiz” von MeteoSchweiz vom 23. Februar 2023 [1] wird über Schneemangel bzw. vom Niederschlagsmangel geschrieben.”
Könnte es sein, dass der Klimawandel die Winter-Stromproduktion aus Stauseen gefährdet?
Letzten Herbst stand im Rahmen der allgemeinen Energieprobleme die bange Frage im Raum, ob sich die Stauseen genügend füllen lassen. Bettina Schaefli, Professorin für Hydrologie an der Universität Bern, sah die Situation damals in [4] optimistisch:
“Im letzten Winter hatten wir sehr wenig Schnee, so dass es an Schmelzwasser mangelte. Aber die Gletscher in den Einzugsgebieten der Stauseen haben diesen Sommer viel Wasser geliefert”. – Die Gletscherschmelze kann also aktuell dabei helfen die Stauseen zu füllen.
Aber wie geht es weiter, wenn die Trockenheit anhält? In den Kommentaren des angesprochenen Artikels von SwissMeteo [1] fragt denn auch jemand, ob sich aus der aktuellen Trockenheit eine grosse Dürre entwickeln könnte. Meteo Schweiz relativiert daraufhin: “Da unser Klima stark vom nahen Atlantik (Alpennordseite) und Mittelmeer (Alpensüdseite) geprägt ist, wird immer wieder feuchte Luft zur Schweiz fliessen und hier ausregnen. Kurzfristig können mehrjährige Schwankungen für trockenere Verhältnisse sorgen. […] Die Klimaszenarien CH2018 gehen für den Zeitraum ab Mitte des 21. Jahrhunderts von einer Zunahme der Trockenheit im Sommer, jedoch von grösseren Niederschlagsmengen im Winter aus.”
Mehrere Quellen sprechen von einer Verschiebung der Niederschläge vom Sommer in den Winter und zunehmenden Schwankungen. Dazu nochmals Prof. Schaefli [4]: “Es wird eine natürliche Verschiebung von der Sommer- zur Winterproduktion geben. Aus Sicht der Elektrizitätswirtschaft ist das eine gute Nachricht. Die Natur wird uns helfen, im Winter mehr Strom zu produzieren”.
Auch in der Tagespresse [6] wurde das Thema aufgegriffen, und gefragt “Zu wenig Stausee-Wasser aus Schneeschmelze – Droht im nächsten Winter ein Strom-Engpass?”. Der interviewte Chefökonom der Axpo, Martin Koller, wies auf die Wichtigkeit der Schneeschmelze hin, da die Gletscherschmelze nicht alle Probleme lösen könne, da längst nicht alle Stauseen durch Gletscher gespiesen werden. Er hat aber weniger Bedenken, dass die Speicher im Winter nicht voll werden, sondern dass im Sommer weniger Strom exportiert werden kann [6]. – Damit wäre also nicht die Versorgungssicherheit unseres Landes tangiert, aber ein bedeutender Exportzweig der Schweiz wäre betroffen.
Was passiert, wenn die Gletscher wegen dem Klimawandel ganz verschwinden? Die Folgen des Klimawandels in den Alpen ist ein Thema, welches auch auf der Agende der nationalen Forschung steht. Der Nationalfonds, welcher die Forschung der Hochschulen finanziert, hat ein Nationales Forschungsprogramm Energiewende lanciert. In diesem Rahmen ist z.B. das Projekt “Periglazialzonen und Wasserkraft” [2], [3] entstanden. Aus [2]:
“Wo einst hunderte Meter dickes Eis lag, könnten zukünftig Stauseen Wasser speichern, so dass Turbinen damit Strom erzeugen können. Der Gletscherrückzug in den Alpen hinterlässt Flächen, die sich für Speicherwasserkraftwerke eignen würden – zumal sich dort teilweise schon von Natur aus Seen bilden.”
Die sich zurückbildenden Gletscher könnten also zum Neubau von Stauseen führen. Da starke Schwankungen im Niederschlag und gleichzeitiger Gletscherschwund zu einer unregelmässigeren Wasserversorgung in unseren Flüssen führen, könnten richtig angelegte Stauseen teilweise die Funktion der Gletscher übernehmen und helfen den Wasserhaushalt zu regulieren.
Im Rahmen eines Projektes des NCCS, National Center for Climate Services, ist in [5] ein Beispielprojekt “Mehrzweckspeicher gegen Sommertrockenheit” beschrieben: “In den Alpen hat der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Hydrologie – insbesondere durch das Abschmelzen der Gletscher, die steigende Schneefallgrenze und die zunehmenden Starkniederschläge. Dieses Projekt erarbeitete ein Konzept zum Ausbau eines multifunktionalen Speichersees oberhalb der Bündner Gemeinde Laax. Er soll nicht bloss Wasser, sondern auch Solarstrom speichern.”
Die Winterstromproduktion aus Stauseen wird also weiterhin möglich sein. Trotzdem müssen wir unsere (Winter)Stromversorgung möglichst divers gestalten. Neben dem geplanten Einsatz der Stauseen müssen auch Alpine Photovoltaik (die mehr Winterstrom liefert) aber auch Windkraft, Biomasse und Geothermie vermehrt eingesetzt werden. Zudem werden mit zunehmenden Ausbau der Photovoltaik unsere Stauseen nicht als alleinige Stromspeicher ausreichen, es wird so um 2030 zunehmend zusätzliche Speicher in Form von Batterien, und so um 2040 Langzeitspeicher (ev. in Form von Gas-to-Power, z.B. Wasserstoff) brauchen (ein entsprechender Beitrag dazu ist in Vorbereitung).
Die obige Diskussion zeigt klar, dass bedingt durch den Klimawandel auch Anpassungen an der Infrastruktur notwendig werden.
Was mir dabei zunehmend Sorge bereitet: Diese Infrastrukturanpassungen (neue Stauseen, Alpine PV, Windräder) werden auch Landschaftseingriffe im alpinen Raum bedeuten. Dass dabei auch der Landschaftsschutz und Naturschutz berücksichtig werden müssen, ist mir klar. Aber mir scheint die Diskussion momentan eher fundamental, das konkrete Handeln blockiert. Wie können wir es als Gesellschaft schaffen, im Rahmen der drohenden Klimakriese zeitnah akzeptable Kompromisse auszuhandeln, um rasch landschaftsverträgliche Lösungen zu finden? – Gelingt es uns dies in den nächsten Jahren nicht, wird die längst wieder aufgeflammte AKW-Diskussion weiter an Fahrt zulegen.
[1] Grosse Trockenheit in der Schweiz, Meteo Schweiz, 23. Februar 2023
https://www.meteoschweiz.admin.ch/ueber-uns/meteoschweiz-blog/de/2023/02/trockenheit-in-der-schweiz.htm
[2] Periglazialzonen und Wasserkraft, Nationales Forschungsprogramm Energiewende, Schweiz. Nationalfonds (Finanzierung der Hochschulforschung), Projekt, 2018 (Datum aus [3], welches daraus entstanden ist)
https://nfp-energie.ch/de/projects/962/
[3] Hydropower Potential in the Periglacial Environment of Switzerland under Climate Change,
Daniel Ehrbar 1,Lukas Schmocker 2,David F. Vetsch 1ORCID andRobert M. Boes 1ORCID
1 Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology, ETH Zurich, 8093 Zurich, Switzerland
2 Swiss Competence Center for Energy Research (SCCER-SoE), ETH Zurich, 8093 Zurich, Switzerland
2018
https://www.mdpi.com/2071-1050/10/8/2794
[4] Mit Wasserkraft gegen drohende Energieengpässe, Swissinfo (eine Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft), Sept. 22
https://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/mit-wasserkraft-gegen-drohende-energieengpaesse/47920434
[5] Mehrzweckspeicher gegen Sommertrockenheit, NCCS, 19-21 https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/massnahmen/pak/projektephase2/pilotprojekte-zur-anpassung-an-den-klimawandel–cluster–umgang-0/b-03-mehrzweckspeicher-gegen-sommertrockenheit.html
[6] Zu wenig Stausee-Wasser aus Schneeschmelze – Droht im nächsten Winter ein Strom-Engpass?, Blick, 25.2.2023
https://www.blick.ch/politik/zu-wenig-stausee-wasser-aus-schneeschmelze-droht-im-naechsten-winter-ein-strom-engpass-id18348100.html
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