Die Energiediskussion ist aktuell höchst verwirrlich: Grüne blockieren den alpinen Solarausbau im Wallis, gleichzeitig formuliert das Parlament im Energiegesetzt, dem sog. Mantelerlass, Ausbauziele für erneuerbare Energien, die vom Zeitrahmen her eher utopisch anmuten. Verkehrte Welten?
Versuchen wir dies etwas einzuordnen. Die gute Nachricht zuerst: es gibt solide Szenarien für eine Energiewende auf der Basis von Erneuerbaren. Die Frage ist, ob sich diese in unserer politischen Realität umsetzen lassen.
Der Ausbau der Photovoltaik hat eine Schattenseite, nämlich die verminderte Solarstromproduktion im Winter. Dabei brauchen wir im Winter generell mehr Strom und die aktuelle Europapolitik der Schweiz trägt nicht gerad dazu bei, dass Importe im Winter jederzeit garantiert werden können. Ein Umbau des Energiesystems mit Photovoltaik (PV) braucht daher im Winter eine gewisse Resilienz, wie kürzlich die Elcom (Elektrizitätskommission) in einem Papier richtigerweise dargelegt hat (22 Tage ohne Importe auskommen) [1].
Unseren Speicherseen können (teilweise) den nötigen Ausgleich schaffen. Ich untersuche aktuell zusammen mit Thomas Nordmann ein solides Energie-Szenario daraufhin, ob die Speicherseen bis 2030 den nötigen Ausgleich schaffen können. Wir konnten zeigen, dass es grundsätzlich funktioniert, aber dass zum Erfüllen der von der Elcom formulierten Resilienz-Bedingungen rasch Zubauten an Alpiner-PV (die im Winter pro Modul doppelt so viel Energie wie im Mittelland liefert) und Windkraft (die auch im Winter vorhanden ist) notwendig sind. Zudem, und dies ist sicherlich ein saurer Apfel für viele, müssen die Laufzeiten der AKW’s auf ca. 60 Jahre verlängert werden.
Was passiert, wenn diese Massnahmen nicht umgesetzt werden können? Dann müssen wohl in den nächsten Jahren zusätzliche Reserve-Gaskraftwerke gebaut werden. Wenn man den Tagi-Artikel vom 5.8.23 liest “Jetzt liebäugeln selbst die Grünen mit Gaskraftwerken”, wird man den Eindruck nicht los, dass man sich teilweise schon damit abgefunden hat?
Wo stehen wir aktuell? Der Windexpress, wie er im Parlament beschlossen wurde, wird wegen der langen Planungszeiten vorerst wohl nur Projekten helfen, die in der Planung schon weit fortgeschritten sind. Und ich bin überzeugt, es wird weiterhin lokalen Widerstand geben. Der Solarexpress ist momentan auf wackligen Beinen, nicht zuletzt, weil das dort festgehaltene Zeitlimit für Subventionen viel zu knapp bemessen ist. Das Umweltgesetzt (Mantelerlass) ist noch in Beratung (siehe PS). Die dort geforderten Zeitrahmen für dem Ausbau würde ich als utopisch bezeichnen. Dies löst denn auch in grünen Kreisen (berechtigte) Ängste vor Umweltzerstörung aus. Und eine Verlängerung der Laufzeit der AKW’s wird nicht mal öffentlich diskutiert.
Obwohl realistische Wege existieren, laufen wir Gefahr einer gesellschaftlichen Blockade. Wer davon profitiert ist klar: Diejenigen, welche die Diskussion über neue AKW’s eröffnen möchten.
PS: Heute 19.9.23 ein Lichtblick aus dem Parlament. Man konnte sich darauf einigen, dass die Restwassermenge nur bei drohendem Strommangel reduziert werden darf, und nicht schon bei Gefährdung der Turbo-Ausbauziele des Mantelerlasses.
[1] Elcom, Winterproduktionsfähigkeit – Einschätzungen der Elcom bis 2035, https://www.elcom.admin.ch/elcom/de/home/dokumentation/berichte-und-studien.html ,2023
Wieviel Suffizienz (Stromsparen) haben Sie und Herr Nordmann eingerechnet? Wenn wir die AKW’s für all den stromfressenden Nonsen (z.B. Bitcoin-Farmen) weiter laufen lassen müssen ist es das Risiko nicht wert.
Wir haben für unseren Test mehrere publizierte Stromszenarien verglichen und haben den Strombedarf in Anlehnung an das Energieszenario vom VSE in “Zusätzlichen Strombedarf” (die neuen Anwendungsgebiete, siehe positive Treiber) und einen “Basis Strombedarf” (den Rest) unterteilt.
Positive Treiber Zusätzlicher Strombedarf: eMobilität, Wärmepumpen, lokale Produktion von Wasserstoff
Negative Treiber Basisstrombedarf: Abschaltung ineffizienter Elektroheizungen, allgemeine Effizienzsteigerungen, Demand Side Management
Beispielszenrio Strombedarf in TWh ohne Netzverluste:
2020: Basis: 55 / Zusätzlich: 3
2030: Basis: 50 / Zusätzlich 15
2040: Basis: 46 / Zusätzlich 31
2050: Basis: 41 / Zusätzlich: 47
Der gesamte Bericht wird bald hier aufgeschaltet.
PS: Ich persönlich finde die Stromverschwendung durch Bitcoin’s ebenfalls unerträglich, insb. da es effizientere Möglichkeiten wie Ethereum gibt. Wann immer es geht mache ich darauf aufmerksam und habe auch versucht bei meiner ehemaligen Fachhochschule zu erreichen, dass man nicht mehr mit Bitcoin bezahlen kann. Aber das ist alles sehr harzig…
Ich denke, dass man ein Energieszenario nicht auf Sparmassnahmen einer einzelnen Technologie aufbauen sollte. Natürlich macht es Sinn Szenarien mit sehr grossem Sparpotential durchzuspielen.
Uns ging es in unserem Bericht nicht darum “das Beste” aller Szenarien finden, sondern ein realistisches darauf untersuchen, wie die Speicherseen mit dem Winterbedarf umgehen können.