Die Degrowth- oder Postwachstums-Bewegung betrachtet eine schrumpfenden Wirtschaft als den einzigen realistischen Weg für effektiven Klimaschutz. In dieser Diskussion hat das neuste Buch der Historikerin und Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann über “das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind und wie wir in Zukunft leben werden” einige mediale Aufmerksamkeit erlangt, so z.B. einer NZZ-Diskussion oder einem Magazin der SP Schweiz.
Die zentrale These des Buches lautet: “Klimaschutz ist nur möglich, wenn die Wirtschaft schrumpft”. Dabei wird eine Schrumpfung im Bereich von 50 % ins Auge gefasst! Um dies politisch umzusetzen, skizziert Frau Herrmann an eine Art “Überlebenswirtschaft”, in der Betriebe privat bleiben aber der Staat festlegt, wer welche Güter produziert und wie die knappen Ressourcen verteilt werden.
Die Position von Frau Hermann steht in deutlichen Kontrast zu meinem eigenen Ansatz des “CO2-Monitorings“, dass Klimaschutz auch ohne pauschalen Verzicht erreichbar ist. Damit muss ich meinerseits eine Antwort auf die Thesen des Buches finden. Dabei will ich bewusst nicht auf die Kapitalismusdiskussion oder die fehlende Transformationsdiskussion des Buches eingehen, vielmehr konzentriert sich meine Replik auf die Kernaussage, dass Klimaschutz nur möglich sei, wenn die Wirtschaft schrumpft.

Die Grundlage von Ulrike Herrmanns Buch umfasst insbesondere folgende Thesen:
– Aufgrund der hohen Kosten für die Energiespeicherung ist es mit der aktuellen Technologie nicht ausreichend möglich, günstige erneuerbare Energien zu gewinnen.
– Das Recycling von Rohstoffen ist zu wenig effizient.
– Technische Effizienz ist alleine nicht ausreichend, da Rebound-Effekte (Effizienzsteigerungen führen zu sinkenden Kosten und fördern so den Konsum) die positiven Effekte zunichte machen können.
Diese Thesen begründet sie mit meist meist ausführlich, sachlich und gut nachvollziehbar. Jedoch fällt auf, dass sie bei der Schlussfolgerung meist zu einem unsachlichen “Kurzschluss” neigt, der auf Extremvarianten basiert. Ein Beispiel hierfür ist ihre nachvollziehbare Kritik an der Vorstellung einiger Autoren, dass die Energiewende ohne Kosten möglich sei, gefolgt von einer wenig nachvollziehbaren Schlussfolgerung, dass die Energiewende grundsätzlich nicht finanzierbar sei.
Bezüglich ihrer Einzelthesen:
– Es ist zutreffend, dass technische Effizienz alleine nicht ausreicht, da Rebound-Effekte die Bemühungen zunichtemachen können. Die Lösung liegt jedoch nicht in der Abschaffung der Marktwirtschaft, sondern erfordert vielmehr marktwirtschaftlich erprobte Steuerungsmechanismen wie CO2-Bepreisung und gesetzliche Vorgaben. Hier müssen wir für ein langfristigen Klimaschutz unbedingt zulegen.
– In Bezug auf die Nichtfinanzierbarkeit von erneuerbaren Energien zeigt sie nachvollziehbar auf, dass dies mit Kosten verbunden ist. Sie zeigt aber keinesfalls auf, dass die Energiewende nicht finanzierbar sei! Es liegen genügend solide Studien vor, die zeigen, dass eine Finanzierung möglich ist.
– Hinsichtlich des Recyclingdefizits verwendet Frau Herrmann Recycling-Daten von Batterien, die nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Die Verfügbarkeit von Recycling-Anlagen für Auto-Batterien ist aufgrund des geringen Anteils “verbrauchter” Batterien noch begrenzt. Durch Forschung und und entsprechende Umsetzung sind jedoch fortschrittlichere Lösungen machbar.
Wir sollten das Thema Wachstumsthema nuancierter angehen. Wir müssen aktiv darüber entscheiden, in welchen Sektoren Wachstum notwendig ist, beispielsweise im Bereich der Elektromobilität (den Frau Herrmann in ihrem Buch deutlich unterschätzt) oder beim Übergang zu Wärmepumpen. In diesen Bereichen wird exponentielles Wachstum notwendig sein. Es wird aber auch Bereiche geben, in denen wir das Wachstum begrenzen müssen. So denke ich, wir (d.h. die hochentwickelten Länder) sollten das Wachstum im Automobilverkehr stoppen und im Flugverkehr sogar zurückschrauben.
Wie oft in dieser Diskussion gilt: Es gibt keine einfache Lösung, die auf einem einzigen Ansatz beruht. Wir müssen viele Maßnahmen intelligent miteinander kombinieren, um voranzukommen.
Warum so kompliziert? Wir beuten 3 Planeten Erde aus, haben aber nur den einen. Die Material- und Energieflüsse müssten drastisch reduziert werden. Das hätte Konsequenzen. Ohne Verschwendung wie heute liesse sich trotzdem ein gelingendes leben gestalten, aber ein anderes als das übliche der Wohlhabenden.
Die Autorin will die Wirtschaft um 50 % reduzieren. Wäre ein gewagtes, unnützes und unrealistisches Experiment.